Gregor Schöllgen – Historiker

Aus dem Industriemuseum

19.12.2023 
Jetzt ist sie wieder im Gespräch. Zum Beispiel in Berlin oder auch in Nürnberg. Die Magnetschwebebahn war einmal ein Pionierprojekt deutscher Ingenieurskunst, teilte dann aber das Schicksal anderer innovativer Vorhaben und landete im virtuellen nationalen Industriemuseum, das inzwischen randvoll mit Fällen vertaner Möglichkeiten ist.

Der Anstoß zum sogenannten Transrapid kam von Georg Leber. Der Sozialdemokrat und Gewerkschafter, Jahrgang 1920, war von 1966 bis 1972 - also während der ersten Großen Koalition und der ersten Regierung Willy Brandts - Verkehrsminister, hernach bis 1978 respektierter Chef des Verteidigungsministeriums.

Die Idee zum Transrapid wurde im Rahmen des von Leber in Auftrag gegebenen verkehrspolitischen Gesamtprogramms geboren, das 1968 vorlag. Gesucht wurde ein Verkehrsmittel, das es mit dem Flugzeug nach Zeit und Preis, Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit aufnehmen konnte. Ursprünglich war eine Strecke in Form einer großen 8 geplant, mit dem Schnittpunkt Frankfurt am Main sowie zwölf Haltepunkten.

Rund 30 Jahre später gibt es lediglich eine Teststrecke im Emsland – und einen Interessenten in Fernost. Anfang Juli 1999 unternimmt der technikbegeisterte chinesische Ministerpräsident Zhu Rongji eine Probefahrt. Wenig später wird in Peking die Errichtung einer Versuchsstrecke vereinbart. Dabei bleibt es. Anders als ursprünglich geplant, werden nicht die 1.300 Kilometer zwischen Peking und Shanghai mit Hilfe der Magnetschwebebahn überbrückt, sondern seit Ende 2003 das Finanzzentrum der pazifischen Metropole mit dem rund 30 Kilometer entfernten Flughafen. Acht Minuten dauert die Fahrt.

Um den Auftrag an Land ziehen zu können, müssen ThyssenKrupp und Siemens, die das Betriebssystem liefern, erhebliche Preisnachlässe gewähren und die Bundesgierung einen ungebundenen Zuschuss von 100 Millionen D-Mark auf den Tisch legen. Außerdem verpflichtet sich der Bundeskanzler, persönlich an der offiziellen Jungfernfahrt der Bahn teilzunehmen, was Gerhard Schröder - während der neunziger Jahre einer der zahlreichen Gegner des Transrapid - zu Silvester 2002 auch tut. Das kann man in meiner Biographie Gerhard Schröders nachlesen.

In Deutschland wird hingegen weiter geplant, gerechnet und Probe gefahren, bis es im September 2006 auf der Versuchsstrecke im niedersächsischen Lathen zu einem schweren Unfall mit vielen Toten kommt. Ende 2011 wird die Teststrecke stillgelegt. Bau, Betrieb und Stilllegung der Anlage kosten den Steuerzahler rund 1,4 Milliarden Euro.

Die Idee aber lebt weiter. Wann immer die chaotischen Verkehrsverhältnisse namentlich in deutschen Metropolen zu einem Thema werden, kommen sie auf den Tisch. Den Anfang macht Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zu Beginn des Jahres 2002 in einer heute legendären Rede. Dass die Rede verunglückt, ändert nichts am Stellenwert des Plädoyers und an der Rolle Stoibers als einem der Pioniere des High-Tech-Standorts Bayern.

Dass die Magnetschwebebahn in diesen Wochen hierzulande von verschiedenen Seiten wieder ins Gespräch gebracht wird, heißt nicht, dass sie aus dem virtuellen Industriemuseum geholt und tatsächlich realisiert wird. Die Erfahrung spricht eher dafür, dass die Bestände dieses Museum weiterhin kräftig wachsen werden.