Gregor Schöllgen – Historiker

Mutlos

24.01.2019 
Man kann es drehen und wenden wie man will. Aber eine Erfolgsgeschichte sind die deutsch-französischen Beziehungen schon lange nicht mehr. Wenn sie es denn je gewesen sind.

Wohl wahr: Der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, den Frankreichs Staatspräsident Charles des Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 in Paris unterzeichneten, bleibt ein herausragendes Beispiel für den Willen und den Mut zur Verständigung in dem jahrzehntelang von Kriegen und Krise gezeichneten Verhältnis zweier Nachbarn. Es ist einer der roten Fäden meiner beiden Bände zur deutschen Außenpolitik.

Aber ein Beitrag zur Integration Europas war dieser Vertrag nicht, im Gegenteil. Eine Woche vor seiner Unterzeichnung kündigte des Gaulle sein Veto zu einem britischen Beitritt zur Europäische Wirtschaftsgemeinschaft an. Das war nicht die erste und auch nicht die letzte französische Aktion gegen das integrierte Europa.

Besonders folgenreich war das Veto, mit dem das französischen Parlament am 30. August 1954 nach immerhin vierjährigen Verhandlungen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft scheitern ließ. Davon hat sich Europa nie mehr erholt. Das dokumentiert jetzt der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration, den die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident am 22. Januar in Aachen unterschrieben haben.

Aller euphemistischen Rhetorik zum Trotz ist auch dieses Papier ein Dokument der Mutlosigkeit. Wenn es unter den obwaltenden äußeren Umständen nicht einmal im deutsch-französischen Verhältnis gelingt, in der zentralen Frage der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die Allgemeinplätze hinter sich zu lassen und verbindlich eine Kooperation zu vereinbaren, die diesen Namen verdient, dann ist es auch um Europa nicht gut bestellt.