Gregor Schöllgen – Historiker

Diplomaten und Dompteure

11.03.2018 
Diplomatie ist ein Handwerk. Und wie für jedes andere Handwerk gilt auch für dieses: Man muss es beherrschen. Im Falle der Diplomatie spielen zudem ein gut entwickeltes Fingerspitzengefühl und nicht zuletzt die politische Erfahrung eine erhebliche Rolle.

Als Donald Trump sein Amt antrat, hatte er wenig von alledem vorzuweisen. Das für sich genommen wäre noch nicht dramatisch. Denn amerikanische Präsidenten verfügen über ein Heer von Diplomaten und Fachleuten, die sie beraten, unterstützen und, wenn nötig, diskret führen.

Aber wie es aussieht, verweigert sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur weitgehend der Beratung, sondern er ist offenbar auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass die amerikanische Diplomatie einen beispiellosen Aderlass erlebt.

Auch deshalb bedeutet das überraschend angekündigte Gipfeltreffen mit dem koreanischen Machthaber – anders als von den meisten Beobachtern prognostiziert – nichts Gutes. Es enthält ein hohes Risiko.

Sicher können mangelnde diplomatische Routine, fehlende politische Erfahrung und ausprägte Beratungsresistenz zu überraschenden Wendungen und Ergebnissen führen. Der Dilettant wird nun einmal nicht von Skrupeln, Rücksichtnahmen oder auch schlechten Erfahrungen geplagt. Das ist sein Vorteil.

Wahrscheinlicher aber ist ein anderes Szenario. Denn Kim Jong-un hat die Initiative ergriffen und führt damit die Regie. Dass er mit allen Wassern gewaschen ist, hat er wiederholt unter Beweis gestellt. Schon dass er Amerikas Präsident auf Augenhöhe begegnet, ist eine enorme Aufwertung seiner Person und seines Regimes. Wenn es ihm gelänge, Donald Trump öffentlich vorzuführen, wäre das mit Blick auf das Ego und die Eitelkeit dieses Mannes ein düsteres Szenario.

„Kim Jong-un hat die Manege gebaut“, schreibt Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung: „Trump lässt sich hineinführen … Die Zirkusvorstellung hat gerade erst begonnen.“ So ist es.